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Infos

Was ist BID?

Was ist „Body Integrity Dysphoria“ (BID)?

Body Integrity Dysphoria (BID) wurde bislang auch als Body Integrity Identity Disorder (BIID), XenomeliaAmputee Identity Disorder oder Apotemnophilie bezeichnet. Im Jahr 2019 erfolgte eine Aufnahme in die 11. Version der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD = International Classification of Diseases), hierbei haben sich die Fachleute auf die neue Bezeichnung „BID“ geeinigt.

BID ist das tiefe Empfinden einer Person, dass sich bestimmte Körperteile oder Körperfunktionen fremd anfühlen oder nicht zur eigenen Person gehören. Es kommt zu einer Deckungs-Ungleichheit zwischen innerem gefühlten Körperbild und äußerem tatsächlichen Körperbild. Dieser Unterschied im gefühlten Körperbild und der Realität erzeugt bei uns Betroffenen einen hohen Leidensdruck, welcher sich als Amputationswunsch der „fremden“ Extremität oder als Lähmungswunsch äußert. In seltenen Fällen können auch Formen auftreten, bei denen Betroffene das Gefühl haben, dass der eigene Körper eigentlich blind oder gehörlos sein sollte oder sogar dass die eigenen Zähne nicht als zu sich gehörend empfunden werden. Vornehmlich sind aber die Beine betroffen, die sich „fremd“ anfühlen. Und so wünschen sie sich nichts sehnlicher, als diesen veränderten Körper zu erlangen, um dem ständigen Leidensdruck zu entkommen.

Der Originaltext des neuen ICD-11 kann hier abgerufen werden:ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics: 6C21 Body integrity dysphoria

6C21 Body integrity dysphoria

Parent: Disorders of bodily distress or bodily experience

Description:
Body integrity dysphoria is characterized by an intense and persistent desire to become physically disabled in a significant way (e.g., major limb amputee, paraplegic, blind), with onset by early adolescence accompanied by persistent discomfort, or intense feelings of inappropriateness concerning current non-disabled body configuration. The desire to become physically disabled results in harmful consequences, as manifested by either the preoccupation with the desire (including time spent pretending to be disabled) significantly interfering with productivity, with leisure activities, or with social functioning (e.g., person is unwilling to have a close relationships because it would make it difficult to pretend) or by attempts to actually become disabled have resulted in the person putting his or her health or life in significant jeopardy.

Eine deutsche Übersetzung würde in etwa lauten:

6C21 Dysphorie der Körperintegrität

Störungen der körperlichen Belastung oder der körperlichen Erfahrung

Beschreibung:
Die Körperintegritätsdysphorie ist gekennzeichnet durch ein intensives und anhaltendes Verlangen körperlich beeinträchtigt zu werden (z. B. Amputation von wichtigen Gliedmaßen, Querschnittslähmung, Blindheit), mit Beginn in der frühen Pubertät, begleitet von anhaltendem Unbehagen oder intensiven Gefühlen der Unangemessenheit der gegenwärtigen unbehinderten Körperkonfiguration. Das Verlangen, stark beeinträchtigt zu werden, äußert sich in schädigenden Konsequenzen, die sich z.B. in der Beschäftigung mit dem Verlangen manifestiert (inklusive der Zeit, die für eine Nachahmung der Behinderung investiert wird) und die die Produktivität, Freizeitaktivitäten und sozialen Funktionen erheblich beeinträchtigt (z.B. eine Person umgeht enge Beziehungen, da das Pretenden dadurch schwierig werden würde) oder durch Versuche tatsächlich eine Behinderung zu erlangen, die darin resultieren können, dass die Person ihre Gesundheit in ernsthafte Gefahr bringt.

Als „Dysphorie“ bezeichnet man eine bedrückte, traurige oder gereizte Stimmungslage. Es handelt sich um eine meist nur leicht ausgeprägte Form einer Depression mit schlechter Laune, Unzufriedenheit und Missgestimmtheit. Mit „Integrität“ ist hier die Vollständigkeit des Körpers und seiner Funktionen gemeint. Meist haben wir das mentale Bild einer Behinderung des eigenen Körpers in unserem Kopf. Der einzig mögliche Vergleich ist der zu Transidenten, d.h. zu Menschen, die das Gefühl haben, dass ihr wirkliches, äußeres und ihr inneres, mentales Geschlecht nicht zusammenpassen. Viele Transidente streben daher eine Geschlechtsumwandlung an. Ebenso versuchen BID-Betroffene eine Operation zu bekommen, um den äußeren Körper in Einklang mit dem inneren Körperbild zu bringen.

Positiv an der hier erfolgten Einstufung ist, dass auch Lähmung und sogar Blindheit als Beispiele aufgenommen wurden und die Klassifikation damit im Prinzip offen für weitere Arten der Behinderung ist.

Das „DACH“ in dieser Internetseite www.bid-dach.org steht für das Dach, das wir uns als freie und anonyme Selbsthilfegruppe geben, aber auch für die deutschsprachigen Länder (D – A – CH), für die wir dieses Informations- und Mitmachangebot bereitstellen. Das „BID-DACH“ ist eine Selbsthilfe von Betroffenen. Wir verstehen „BID“, denn wir kennen es von innen. Hier findest Du als Betroffener echtes Verständnis, echte persönliche Erfahrungen und Unterstützung.

BID ist keine „Psychose“, die Betroffenen sind also nicht verrückt. Unzählige Studien haben weltweit gezeigt, dass psychische Erkrankungen hier nicht öfter vorkommen als im Durchschnitt der Bevölkerung. Die meisten leben unauffällig in normalen Umständen, haben einen Partner und Freunde, gehen arbeiten und zahlen Steuern. Eine rationale Erklärung, woher der Wunsch nach einer Behinderung kommt, konnte bislang noch niemand abgeben. Für die Betroffenen selbst ist dieser Drang erstaunlich, viele reagieren besonders am Anfang angstvoll und verunsichert. Fakt ist, dass sich niemand diese Störung ausgesucht hat. Niemand kann etwas dafür. Der Leidensdruck durch die Unzufriedenheit damit, in einem als unpassend empfundenen Körper leben zu müssen, kann aber immens sein. Bei den meisten ist der Drang so schamhaft besetzt, dass mit niemandem darüber geredet werden kann, was weiteren Leidensdruck erzeugt.

Parallel zu diesen Seiten der Selbsthilfegruppe, gibt es einen Verband, der sich für unsere Interessen einsetzt: Der „Verein zur Förderung von Studien über Körperidentitätsstörungen“ (www.vfsk.eu) setzt sich für die Rechte der BID-Betroffenen ein, fördert wissenschaftliche Studien und versucht langfristig Therapieoptionen aufzuzeigen, welche auch die Diskussion über identitätsangleichende Operationen beinhaltet. In dem Verband sind sowohl Wissenschaftler wie auch Betroffene, Angehörige und andere interessierte Personen Mitglied. Aus der Vereinszugehörigkeit ist also nicht zu erkennen, ob jemand zu den Betroffenen gehört. Je mehr Mitglieder dieser Verband hat, um so eher können unsere Interessen auf politischer Ebene durchgesetzt werden.

Infos für Forscher, Ärzte und Therapeuten

Zur Forschung

BID („Body Integrity Dysphoria“) ist eine Veränderung des Körperschemas, bei der Menschen Teile des eigenen Körpers als überflüssig empfinden, die ersten Studien beschäftigten sich zunächst nur mit dem Wunsch nach Amputation; erst später kamen weitere Arten der Behinderung hinzu, insbesondere das Bedürfnis nach Lähmung. Die in diesen ersten Studien untersuchten Personen hatten ein intensives Gefühl dass ihr Körper erst komplett ist oder schön aussieht, wenn das entsprechende Gliedmaß amputiert wurde. Nur hierdurch glauben sie, den äußeren Körper in Einklang mit der inneren Identität bringen zu können. Bei dem überwiegenden Teil bezieht sich der Amputationswunsch auf einen Arm oder ein Bein, weniger häufig auf mehrere Gliedmaßen gleichzeitig. Da Ärzte (außer bei Transidentität) bislang kaum eine ethisch vertretbare Möglichkeit hatten, ein intaktes Körperteil chirurgisch zu entfernen, führten die Betroffenen nicht selten Verstümmelungen selbst durch, um das Körperteil los zu werden. Im Jahr 2000 machte der schottische Arzt Dr. Robert Smith zwei Beinamputationen bei Patienten mit BID. Nach einem Bericht des Fernsehsenders BBC verbot das schottische Parlament weitere Amputationen.

Diese Störung wurde früher als Apotemnophilie (= „Liebe zum Abschneiden“) bezeichnet, später gab man der Bezeichnung BIID (Body Integrity Identity Disorder) den Vorrang, die weiter gefasst ist, neuerdings auch „Xenomelia“ (von „xeno“ = fremd und „melia“ = das Glied) oder Body Incongruence Disorder. Einige Betroffene bezeichnen sich selbst als „Wannabe“ (von engl. want to be: etwas sein wollen). Seit 2019 (und nun hoffentlich endgültig) gibt es von der Kommission der „International Classicifation of Diseases“ den neuen Namen „Body Integrity Dysphoria“ (BID). Parallel hierzu wurde BID auch in das im anglo-amerikanischen Bereich benutzte DSM aufgenommen (Diagnostic and statistical manual of mental disorders).

Sehr häufig wird von den BID-Betroffenen im Vorfeld versucht, durch Gebrauch von Krücken (bei abgebundenem Bein), Prothese oder Rollstuhl ein Gefühl der erwünschten körperlichen Beeinträchtigung zu erzeugen (sog. „pretending“). Bei einem Teil der Betroffenen ist auch eine sexuelle Komponente vorhanden, sie finden Amputationsstümpfe erotisch, hier gibt es Überlappungen zur Mancophilie (siehe hierzu das Buch von Ilse Martin: Mancophilie – Zur Vollkommenheit fehlt nur ein Mangel), auch als „Amelotatismus“ bezeichnet.

Die Ursachen sind bislang völlig unbekannt. Eine gewisse Verbreitung hat die Theorie eines Ansatzes gefunden, wonach schon zu einem frühen Zeitpunkt der kindlichen Entwicklung eine Störung des Körperschemas entsteht. Hierfür spricht, dass sich anamnestisch manchmal eine Erkrankung des Körperteils in einer frühen Entwicklungsperiode nachweisen lässt.

Apotemnophilie wurde zunächst weitgehend als psychotisch oder als Form von Fetischismus eingestuft. Das Ergebnis einer sehr breiten Studie, die der amerikanische Psychoiater Prof. Michael First (2004) an 52 Betroffenen, überwiegend als Telefon-Interviews durchgeführt, widersprach dieser Annahme. Bei den meisten der von First befragten Personen wurden keine Hinweise auf psychische Störungen gefunden. Die Symptomatik tritt schon sehr früh ein, übereinstimmend berichten die meisten Arbeiten, dass die Patienten schon als Kinder Menschen mit Amputationen bewundert hatten und amputiert sein wollen. Dies unterscheidet sie von Psychotikern, bei denen eine Selbstamputation z.B. einer Hand oder des Penis akut im schizophrenen Schub erfolgt.
BID-Betroffene leiden dagegen oft über Jahrzehnte unter ihrem Wunsch; sie wissen, dass dieser nicht „normal“ ist, und sie versuchen ihn zu verdrängen. Dennoch tritt das Verlangen nach einer Amputation ständig oder phasenhaft immer wieder stark auf. Wahn wurde von Michael First und anderen Autoren verneint, da die Betroffenen Einsicht in das Unnormale ihres Wunsches haben und oft von sich aus alles Mögliche unternehmen, um diesen Wunsch nicht in die Realität umzusetzen. In der wissenschaftlichen Literatur werden mitunter Zusammenhänge zu fetischistischen Pathologien gefunden, bei denen der Anblick amputierter Gliedmaßen sexuell stimulierend wirkt. Allerdings ist dies bei weitem nicht bei allen Betroffenen der Fall. Mitunter werden sexuelle Begleitphantasien berichtet, aber angemerkt, diese seien sekundär.
Prof. First stufte die Symptomatik daher als Identitätsstörung ein und bemühte sich über mehr als 15 Jahre darum, BID in das DSM aufnehmen zu lassen, was dann 2019 gelang, nachdem es international zunehmend mehr wissenschaftliche Studien gab.

Die Symptomatik erinnert entfernt an Asomatognosie (= fehlendes Bewusstsein für den Körper oder Körperteile), eine neurologische Störung wie sie z. B. bei Neglect-Patienten (sog. halbseitige Vernachlässigung) vorkommt. Dieses Symptom kann nach Bein- oder Hirnverletzungen auch temporär auftreten und dann spontan wieder verschwinden. Allerdings liegt bei den BID-Betroffenen nach heutiger Kenntnis keine schwerwiegende neurologische Schädigung vor; darüber hinaus können sie das in Frage kommende Körperteil komplikationslos fühlen und bewegen. Studien des Amerikaners McGeoch wiesen aber diffizile Störungen im Lobus parietalis (Scheitellappen) des Gehirns nach.

Nahe liegt auch das Vorhandensein einer körperdysmorphen Störung, hierbei handelt es sich um Patienten, die ein spezielles Körperteil an sich selbst als unästhetisch empfinden (was es objektiv gesehen oft aber gar nicht ist). Die Patienten steigern sich in den Gedanken hinein, jeder würde sie wegen dieses hässlichen Körperteils anstarren, sie fühlen sich verachtet und trauen sich oft kaum in die Öffentlichkeit. Wenn sie eine Operation erlangen können, fokussieren sie sich aber auf ein anderes Körperteil. War es zunächst die Nase, die sie als unschön empfanden, kommen ihnen nun ihre Ohren völlig verunstaltet vor. Wurden auch die Ohren operiert, sind sie sicher, dass ihr Kinn zu groß oder zu klein ist. Und so weiter. Auch hier entsprechen die BID-Betroffenen aber nicht dem Bild, sie empfinden das Körperteil nicht als hässlich, sondern als „unbeseelt“ und diejenigen, die eine Amputation erreichen konnten, sind künftig zufrieden und wüpnschen keinesfalls die Entfernung weiterer Körperteile oder andere Operationen. Die Betreffenden täuschen entweder Unfälle vor oder lassen die Operation in Drittweltländern durchführen; schon alleine aus versicherungsrechtlichen Gründen verschweigen sie ihr wahres Motiv in der Regel.

Theorien für die Entstehung von Körperidentifikationsstörungen besagen, dass im Gehirn das Areal für das entsprechende Körperteil nicht ausreichend entwickelt ist. Der Betroffene kann das entsprechende Gliedmaß zwar normal bewegen und fühlen, es ist aber mangelhaft in die hirnorganische Gesamtrepräsentation des eigenen Körpers eingebunden. Vergleichbar mit Neglect (s.o.) oder mit dem Alien-Limb-Syndrom (Körperteile bewegen sich ohne eigenen Willen, wie fremdgelenkt), neurologischen Störungen, bei denen die Patienten sich der Existenz eines Körperteils nicht bewusst sind und dieses als fremd bzw. nicht zu sich gehörig empfinden, ergibt sich dann bei BID ein vergleichbares Gefühl der Fremdheit eines Körperteils.

Hypothetisch angenommen werden könnte eine diffizile Störung im embryonalen oder fötalen Stadium der Entwicklung. Aus bislang unbekannten Gründen könnte ein Arm oder das Bein nicht ausreichend in das Körperschema integriert. Die Betroffenen fühlen sich dadurch später erst „komplett“, wenn sie dieses Teil verloren haben, d. h. wenn das Äußere dem inneren Selbstbild entspricht. Das somatosensorische Areal im Gyrus postcentralis, der Hirnteil im Schläfenlappen mit dem wir unseren Körper fühlen, kommt hierfür eher nicht in Frage, da die Betroffenen das entsprechende Körperteil in der Regel problemlos fühlen und bewegen können.

Die meisten der untersuchten Betroffenen können den gewünschten (noch nicht existenten) Amputationsstumpf erstaunlich exakt fühlen. Sie können häufig auf den Millimeter genau angeben, wo das entsprechende Gliedmaß abgetrennt werden soll und fühlen, wenn sie sich darauf konzentrieren, das Stumpfende sehr genau, obwohl dort eigentlich noch ihr intaktes Bein ist.

Brang et al. (2008) aus der Arbeitsgruppe um Ramachandran stellten die Theorie auf, dass BID von einer angeborenen Dysfunktion des rechten oberen Scheitellappens und dessen Verbindungen zur Insula (einem Teil tief im Inneren des Gehirns) ausgeht. Läsionen des superioren Lobus parietalis (oberer Teil des Schläfenlappens) führen bei Patienten mit Hirnschäden u.a. zu einer Verschlechterung des taktilen Erkennens von Objekten, zu Mängeln in der Erkennung der Position bzw. der Bewegung von Gliedmaßen im Raum, Probleme der Koordination von Sehen und Motorik und Schwierigkeiten Bewegungen anderer zu imitieren. Großflächige Läsionen in diesem Bereich verursachen bekanntlich eine halbseitige Vernachlässigung (Neglekt). Um ihre These zu verifizieren, untersuchten Brang und Mit-Autoren im Jahr 2008 den galvanischen Hautwiderstand ober- und unterhalb dieser gewünschten Amputationsstelle und stellten einen erhöhten Hautwiderstand in dem Teil fest, auf den sich der Amputationswunsch bezog. Sie schlossen auf eine mangelnde kortikale Repräsentation dieses Bereichs im Parietallappen.

Auch Ramachandran & McGeoch (2006) sehen den Parietallappen als wesentlichen Kandidaten zur Verursachung von BID. Diese Autoren weisen auf starke Ähnlichkeiten zur Somatoparaphrenie hin, einer seltenen Störung nach (meist) rechtsseitigem parietalen Schlaganfall, bei welcher der Patient seinen (meist) linken Arm oder auch eine ganze Körperhälfte als fremd empfindet. Nach Ansicht von Ramachandran und McGeoch führt die Dysfunktion zu Fehlern in der Berechnung, was in physischer Hinsicht zum eigenen Körper gehört.

Ein anderer neuroanatomischer Kandidat für die Entstehung von BID könnte die temporo-parietale Junktion sein. Blanke und Mitarbeiter beschrieben im Jahr 2004 eine 22-Jährige, die einen komplexen Anfall erlitt und das Gefühl bekam unter der Decke zu schweben. Arzy und seine Kollegen führten 2006 bei der Patientin eine Untersuchung durch, bei welcher der linkhemisphärische Übergang zwischen dem Temporal- und Parietallappen (temporoparietale Junction, TPJ) mit Elektroden stimuliert wurde. Hierbei berichtete die junge Frau, sie spüre eine Person hinter sich. Die Autoren der Studie glaubten, dass es sich um eine Projektion des eigenen Körpers nach außen handelte, da das Pendant stets dieselbe Position wie das Original einnahm. In der temporo-parietalen Junktion fließen sensorische Informationen des Körpers zusammen und es wird berechnet, wo im Raum wir uns befinden. 75% der neurologischen Patienten, die häufig von außerkörperlichen Erfahrungen heimgesucht werden, zeigen eine rechtsseitige Läsion im Bereich der temporo-parietalen Junktion (TPJ). Nach Ansicht von Blanke & Thud könnten Out-of-Body-Experiences, die insbesondere im Bereich der Todesnähe-Erfahrungen (Near-Death-Experiences) berichtet werden, mit einer mangelhaften Verrechnung von Informationen aus den Bereichen Sehen, Fühlen, Gleichgewicht und Tiefensensibilität zusammenhängen. Die Symptomatik äußert sich nicht nur in dem Gefühl, den Körper zu verlassen, sondern auch in seltsamen Veränderungen des Körperschemas, wie sie sonst eher von Drogen bekannt sind. So erzählen manche Betroffene sie hätten die Empfindung, ihr Arm oder ihr Bein sei endlos verlängert oder fühle sich viel zu kurz an. Blanke und Mitarbeiter berichteten im Jahr 2002 von einer Patientin, die mit geschlossenen Augen spürte wie ihr Oberkörper sich in Richtung Beine bewegte.

Schon 1941 und 1955 hatten der Neurochirurg Wilder Penfield und seine Mitarbeiter gezeigt, dass der Eindruck den eigenen Körper zu verlassen, durch elektrische Stimulation des Schläfenlappens des Gehirns (Lobus temporalis) hervorgerufen werden kann. Diese Phänomene konnten nur nach rechtsseitiger Stimulation nachgewiesen werden. Auch Blanke und seine Mitarbeiter fanden bei Untersuchung einer Epileptikerin, dass durch elektrische Stimulation des Gyrus angularis, einem Areal im hinteren Schläfenlappens des Gehirns, außerkörperliche Erfahrungen ausgelöst werden konnten. Bei 2-3 Milliampere fühlte die Patientin sich, als ob sie aus großer Höhe herabstürzte oder in das Kissen gezogen würde. Bei 3,5 Milliampere hatte sie die Empfindung sich außerhalb ihres Körpers zu befinden, konnte aber nur Beine und Unterleib sehen. Bei weiteren Versuchen spürte sie ein Gefühl der Leichtigkeit und des Fliegens knapp unter der Decke. Der Gyrus angularis liegt im Bereich der temporo-parietalen Junction. Blanke und Mitarbeiter zeigten 2005 unter anderem, dass dieses Areal auch beim gedanklichen Rotieren des Körpers eine Rolle spielt. Hierbei sollten normale Versuchspersonen sich in eine gezeigte Person hineinversetzen und entscheiden, ob diese einen Handschuh an der rechten oder linken Hand trugen. Schon bei einer so simplen Aufgabe können wir uns vorstellen, unseren Körper zu verlassen und kurzfristig in die Strichfigur hinein zu projizieren. Auch diesen Studien unterstützen also die Theorie, dass Veränderungen des Körperschemas möglicherweise letztlich auf Rechenfehler des Gehirns zurückgeführt werden können.

Trotz dieser Fülle an neurologisch-orientierten Theorien, gibt es Hinweise darauf, dass BID eher eine psychische Störung ist. Neurologische Störungen mit Defekten im Gehirn, die sich mit Hilfe bildgebender Verfahren nachweisen lassen zeigen BID-Betroffene bislang definitiv nicht; allerdings sind MRT und fMRI-Aufnahmen im Grunde auch zu grob; diffizile Schäden lassen sich oft nicht nachweisen. Im Gegenteil, die meisten BID-Betroffenen zeigen absolut gar keine neurologischen Defizite; viele sind Akademiker und meistern ihren Beruf, etliche treiben Sport, sie joggen z.B. oder fahren ausgiebig Fahrrad. Außerdem hält die gewünschte Amputationsstelle sich nicht an den Verlauf der sensorischen Innervation. Bei einer neuronalen, hirnorganischen Dysfunktion müsste sich eine verminderte Implementierung des jeweiligen Körperteils eher schräg um das entsprechende Körperteil wickeln. Der Amputationswunsch folgt jedoch nicht den komplexen anatomischen Gegebenheiten, sondern richtet sich eher naiv an dem aus, was man üblicherweise als typisches Bild einer Amputation vor Augen hat. Dies weist darauf hin, dass es sich nicht zwangsläufig einfach nur um eine neuronale Dysfunktion handeln kann.

Die Diplom-Physikerin Sabine Müller geht davon aus, dass BID eine neuropsychologische Störung sein könnte, zu deren Symptomen fehlende Krankheitseinsicht und eine durch inneren Zwang eingeschränkte Fähigkeit zu vernünftigen Entscheidungen gehören. Entsprechend fordert sie, dass eine kausale Therapie entwickelt werden muss, mit dem Ziel der Integration des als fremd empfundenen Körperteils in das Körperbild.

Für psychische Anteile spricht auch, dass es diverse psychiatrischer Störungen gibt, die dazu führen, dass man den eigenen Körper als fremd empfindet. Bei Depersonalisationsphänomenen fühlt ein Körperteil, etwa eine Hand sich plötzlich fremd an. Im Rahmen von dissoziativen Störungen könnten Körperteile aus dem Bewusstsein abgespalten werden. Dahinter steht nach Ansicht der Psychoanalytiker ein unlösbarer psychischer Konflikt, der durch das Konversionssyndrom gelöst werden kann. Bereits starker Schmerz kann zu Phantomgefühlen in Gliedmaßen führen. Es gibt Hinweise, dass eine Dissoziation vom eigenen Körper in Momenten großer Gefahr stattfinden und dazu führen kann, dass manche Menschen in tödlicher Bedrohung plötzlich das Gefühl haben, ihren Körper zu verlassen. Menschen mit Todesnähe-Erlebnissen zeigen häufiger dissoziative Störungen als andere. Überproportional viele Menschen, die von Near-Death-Experiences berichteten, hatten in der Kindheit schwere Traumata erlebt. Irwin äußerte im Jahr 2000 die Vermutung, dass diese es in hochgradigen Stress-Situationen gelernt hatten, in extrembelastenden Situationen ihr Bewusstsein vom somatischen Körper zu trennen. Sogar Oliver Sacks berichtet 1989 von einer Gegebenheit, in der sich nach einem Unfall mit schwerer Beinverletzung (aber ohne Hirnschädigung) sein Bein aus seinem Bewusstsein abspaltete. Auch unter Drogen oder in Tiefenentspannung (z.B. Autogenes Traing, Meditation) sind Veränderungen des Körperschemas keine Seltenheit.

Wenn die Theorie einer neuronalen Dysfunktion richtig wäre, müsste sich der Amputationswunsch lebenslang auf dasselbe Bein beziehen. Allerdings gibt es diverse Fälle, bei denen die Präferenz für das zu amputierende Bein von links nach rechts wechselte. Ein solcher Wechsel ist mit der Annahme einer frühkindlich erworbenen, dauerhaften Störung des Körperschemas nicht besonders gut vereinbar. Dies spricht eher für eine psychische Komponente, die darin Unterstützung findet, dass es für einen Teil der Betroffenen auch wichtig ist „behindert“ zu sein. In den BID-Foren findet man auch Personen, die querschnittgelähmt sein möchten, die Versteifung eines Beines wünschen, blind oder taub sein wollen. Zurzeit ist noch nicht klar, wo die Grenzen von BID genau zu legen sind, welche Symptome zu BID gehören und welche nicht.

BID, mitunter auch als „Transability“ bezeichnet kann in vieler Hinsicht mit Transidentität („Gender Identity Disorder“) verglichen werden. Transidente beziehen ihren Wunsch nach Geschlechtsumwandlung auch nicht nur auf die operative Veränderung von Penis oder Vagina, sondern der Betroffene hat insgesamt das Gefühl in dem Körper des falschen Geschlechts zu stecken. Ähnlich hiermit haben BID-Betroffene möglicherweise das Idealbild der Einbeinigkeit (oder Einarmigkeit) vor sich, ohne dass konkret und endgültig festgelegt sein muss, welche Extremität diesem Wunsch zum Opfer fallen soll. Ähnlich wie bei Transgender spielt die sexuell-erotische Komponente bei einigen BID-Betroffenen eine sehr große Rolle, bei anderen keine. Wie bei Transsexualität erwächst aus dieser Nicht-Übereinstimmung von psychischer und körperlicher Identität Leiden. Das ständige Gefühl, nicht man selbst zu sein und es auch nicht sein zu dürfen und insbesondere Angst vor Ablehnung, wenn der Wunsch bekannt wird, vermitteln Schuldgefühle. Etliche Betroffene sind depressiv, man weiß jedoch nicht, ob die Depression Ursache oder eine Folge des unerfüllten Amputationswunsches ist.

Die Frage nach der Plastizität ist bei BID-Betroffenen bisher nicht gestellt worden. Es gibt bislang keine systematische Studie, die sich bemüht hat herauszufinden, ob sich das Körperschema der Betroffenen in irgendeiner Form verändern lässt

Völlig ungeklärt ist bislang, ob und in welchem Ausmaß sich BID von Therapie oder Trainings beeindrucken lässt. Bisherige, eher unsystematische Studien oder Einzelfallberichte wie auch Berichte von Betroffenen deuten darauf hin dass psychotherapeutische Intervention wie auch antidepressive Medikation zu einer gewissen Erleichterung führen kann. Wenn es sich um ein neurologisches Defizit handelt, müsste es möglich sein, mit Hilfe eines gezielten Trainingsverfahrens eine Veränderung zu erzielen. Wenn es sich um eine psychopathologische Störung handelt, müsste es möglich sein, mit Hilfe einer psychotherapeutischen Intervention eine Reduzierung des Leidensdrucks zu erreichen.

Im Frühjahr 2009 fand unter Leistung von Frau Prof. Dr. Aglaja Stirn in Frankfurt a.M. der erste internationale BID-Kongress statt. Ein zweiter internationaler BID-Kongress wurde im Frühjahr 2013 von Prof. Peter Brugger in Zürich organisiert.

Bislang gibt es keine Angaben darüber, wie häufig BID ist. Eine Recherche der Internet-Group im Jahr 2008 zeigte eine große Zahl von Mitgliedern zu diesem Thema: 1.723 (Yahoo fighting-it), 561 (need2be1), 591 (BIID and Admirers Circle of Friends), und 358 (the biid affair). Darunter sind aber sicherlich nicht nur Betroffene, sondern auch „Gaffer“, „Karteileichen“, Reporter und letztlich auch Wissenschaftler. Horn schätzte im Jahr 2003 die Anzahl auf 1 bis 3% der „klinischen Population“, leider ohne zu definieren, was genau damit gemeint ist. Bayne & Levy (2005) wie auch Müller (2007) schätzten dass es „several thousand patients worldwide“ gäbe. Im Verlauf des Jahres 2008 wurde im Rahmen einer medizinischen Doktorarbeit daher eine epidemiologische Untersuchung zur Prüfung der Häufigkeit von Störungen des Körperselbstbildes durchgeführt (Spithaler, Esterhazy & Kasten, 2009). Um festzustellen, wie häufig BID überhaupt vorkommt, wurde hierbei als eine von vielen Fragen nach Körperwahrnehmungsstörungen (z.B. Zoenästhesien, körperbezogene Halluzinationen, Alien-Hand-Syndrom usw.) auch nach einem Amputationswunsch gefragt oder dem Wunsch anders behindert zu sein. Es konnten die Fragebögen von 618 Personen ausgewertet werden. In der Stichprobe befand sich jedoch lediglich ein einziger Teilnehmer, der unter dem Phänomen BIID (Body Identity Integrity Disorder) leidet. Dieses Ergebnis erlaubt keine konkrete Aussage über die Häufigkeit; um exaktere Zahlen zu bekommen, müsste man vermutlich eine Stichprobe von mindestens 10.000 Personen befragen. Für diese Größenordnung fehlen die finanziellen Mittel.

Obwohl Fallbeschreibungen von Personen mit Amputationswunsch immer wieder durch die Presse gehen und erhebliches Medieninteresse erregen, scheint die Störung unter Fachleuten vergleichsweise wenig bekannt zu sein. Im Rahmen einer englisch-deutschen Kooperationsstudie wurden im Verlauf des Jahres 2009 mit Hilfe der typischen Fallbeschreibung eines BID-Betroffenen und eines kurzen Katalogs von Fragen 58 deutsche und, zwecks Vergleichs mit dem internationalen Bereich weitere 25 englische Therapeuten (Psychologen, Psychiater, Berater aus anderen Berufsgruppen) befragt. 41% der Befragten konnten eine korrekte Zuordnung (BIID oder Apotemnophilie) treffen; häufigste Fehldiagnose war Somatisierungsstörung (30%). 85% der befragten Fachleute gaben an, sie würden nichts unternehmen, um einen Patienten mit Amputationswunsch zum Selbstschutz in eine geschlossene psychiatrische Klinik zu bringen, aber 70% würden versuchen den Patienten zu überzeugen in eine stationäre psychosomatische Behandlung zu gehen. Die Frage, ob sie den Amputationswunsch des Patienten unterstützen würden, antwortete nur ein einziger Therapeut mit „ja“ (Neff & Kasten, 2010). Aktuell läuft hier, in Kooperation mit Frau Prof. Anna Sedda in Edinburgh (Schottland) eine Replikations-Studie.

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Infos für Angehörige

Einführung für Angehörige: Was ist BID eigentlich?

Wahrscheinlich lesen Sie diese Zeilen jetzt, weil Sie gerade von einem Ihnen nahestehenden Menschen erfahren haben, dass er oder sie „BID“ hat. Das heißt, dass diese Person eine tiefe Sehnsucht erlebt, in einem veränderten Körper zu leben, beispielsweise durch eine Amputation von wichtigen Gliedmaßen, Querschnittslähmung oder Blindheit.

Sie sind nun schockiert, denn das Verlangen nach einer Behinderung ist für den Nicht-Betroffenen absolut nicht nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil legt ja jeder von uns Wert darauf, einen gesunden, intakten Körper zu besitzen.

Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, so etwas nachzuvollziehen. Seien Sie sicher, auch für die Betroffenen ist ihr eigenes Verlangen ebenso schwer zu verstehen. Es gibt keine logische Erklärung, woher das Verlangen eigentlich stammt, auch die Wissenschaft hat bis jetzt nur wenige Erkenntnisse über die Ursachen gesammelt. Nur ganz wenige Forscher befassen sich mit dem Phänomen, und das auch erst seit einigen Jahren. Für die Betroffenen ist die Sehnsucht nach einem behinderten Körper ebenso mysteriös, und sie scheitern regelmäßig daran, es anderen Menschen zu erklären, weil sie selbst keine Erklärung wissen.

Wichtig ist für Sie, dass BID keine Geisteskrankheit ist. Die Betroffenen, die in etlichen wissenschaftlichen Studien untersucht worden sind, waren bei den üblichen Tests und Befragungen unauffällig. Man hat bis jetzt kein bestimmtes Muster, keine „BID-Persönlichkeit“ feststellen können. BID ist keine Form von „Wahnsinn“ oder Verrücktheit. Überwiegend sind Menschen betroffen, die in völlig normalen Lebensumständen aufgewachsen sind, einen Partner und Freunde haben, pünktlich zur Arbeit gehen und regelmäßig ihre Steuern zahlen. Sie sind psychisch nicht mehr und nicht minder auffällig wie der Rest der Bevölkerung.

Wenn man BID mit irgendetwas vergleichen kann, dann am ehesten vielleicht mit Transsexualität. Auch da sehnen sich Menschen intensiv, in einem anderen, veränderten, „richtigeren“ Körper zu leben. Und auch da können die meisten diese Sehnsucht nicht vergessen oder beiseiteschieben. Wenn es eine geschlechtsanpassende Operation gibt, sind die meisten Transsexuellen in ihrem veränderten Körper glücklich: sie haben das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Vor der Operation, sagen viele, haben sie im „falschen Körper“ gelebt. Als hätte ihr Körper sie bemogelt. Das empfinden viele BID-Betroffene ähnlich. Möglicherweise zeigt die Behandlung für Transsexuelle einen Weg auch für BID-Betroffene?

Man weiß bisher nicht, wo BID herkommt. Es gibt darüber einige Theorien. Am wahrscheinlichsten ist aus heutiger Sicht, dass eine (vermutlich angeborene) Fehlfunktion im Gehirn vorliegt. Hier gibt es ein Areal, das uns sagt, was zu unserem Körper gehört und was nicht. So berechnet dieses Hirnteil, dass Ihr Fuß Teil Ihres Körpers ist, der Schuh aber nicht. BID verursacht hier offenbar eine Störung. Irgendwie wird ein Glied, z.B. ein Bein, nicht als zum eigenen Körper gehörend empfunden. Obwohl das Bein bewegt und gefühlt wird, hat der Betroffene das Gefühl, dass es fremd ist, nicht zu ihm gehört. Es fühlt sich quasi wie der Schuh an, mit dem Sie ja auch gehen können, den Sie benutzen, aber nicht als Teil Ihres Körpers empfinden. Untermauert wird diese Annahme, da BID schon in der Kindheit beginnt, meist aber erst in der Jugend wirklich bewusst wird.

BID ist auch eine besonders starke, tiefe Sehnsucht. Es gibt eigentlich keine Wörter, mit denen man es wirklich beschreiben kann. Das Verlangen ist oft stärker als viele andere Gedanken und Gefühle. Viele Betroffene denken alle paar Minuten daran, wie sie das, was sie gerade tun, meistern könnten, wenn zum Beispiel das Bein ab wäre. Man kann den Gedanken auch nicht wirklich entgehen, denn jedes Mal, wenn man sein Bein sieht oder spürt, wird man wieder daran erinnert, dass es eigentlich gar nicht da sein sollte. Sogar bei einer Tätigkeit, die man genießt und bei der man sich freut, kommen manchmal die Gedanken, wie viel schöner es sein könnte, das jetzt zum Beispiel einbeinig oder einarmig zu tun. Für Menschen mit BID ist es manchmal schwierig, sich zu konzentrieren, da diese Grübeleien fast ständig da sind und unglaublich viel Energie fordern. Für andere kann das wirken, als ob man nicht richtig zuhört.

Schwer ist für viele Betroffene auch, dass sie sich selber Vorwürfe machen. Jeder von ihnen weiß, dass das Verlangen nach einer Amputation oder Lähmung völlig abstrus ist und man nach der Operation dutzende Dinge, an denen man Spaß hat, gar nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen machen kann. Sie haben Schuldgefühle wegen dieser Gedanken, fühlen Scham, und dazu kommt noch die Angst erwischt zu werden. Sie denken: Wenn die anderen wüssten, dass ich so bin, würden sie mich dann ablehnen? Oft versucht man jahrelang, immer wieder, die Gedanken und die Sehnsucht zu unterdrücken. Und wenn sie dann doch wieder kommen und man fast an nichts anderes mehr denken kann, fühlt man sich schuldig und als Versager.

Die meisten BID-Betroffenen halten ihre Sehnsucht geheim und müssen ein Doppelleben führen: Innen drin, in der inneren Vorstellung, ist man „behindert“ (einarmig, einbeinig, gelähmt oder sonst etwas), nach außen hin muss man „gesund“ wirken, als wenn nichts wäre. Etwa so als wenn Sie unendlichen Liebeskummer haben, aber niemand darf es Ihnen ansehen.

Manche haben geheimen Kontakt mit anderen BID-Betroffenen, heute meist über das Internet. Viele leben ihre Sehnsucht ersatzweise in Fantasien aus, suchen Rollenvorbilder und informieren sich genau über alles, was mit der ersehnten Körperveränderung („Behinderung“) zusammenhängt. Einige versuchen auch, zeitweise möglichst ähnlich zu leben, wie sie es gerne würden, man nennt das „pretenden“. Sie benutzen beispielsweise heimlich Krücken oder einen Rollstuhl, wenn sie sich zu Hause unbeobachtet glauben oder wenn sie in fremden Städten sind, wo sie niemanden kennen. Aber immer schwebt dann die Angst im Hintergrund, doch ertappt zu werden.

Einige Betroffene verdrängen ihre Sehnsucht und kämpfen gegen sich selbst; erfahrungsgemäß kommt das Verlangen aber immer wieder. Das Verdrängen kostet unheimlich viel Kraft, da man sich ständig ablenken muss und selbst dann drängen sich immer wieder BID-Gedanken in das Denken.

„Wie kann man sich nur wünschen, behindert zu sein?“ fragen Sie sich vielleicht. Menschen mit BID wünschen sich aber gar nicht, „behindert“ zu sein. Die meisten können ihre Tätigkeit auch mit einem amputierten Bein durchführen. Die Paralympics, das Pendant der Olympischen Spiele für Behinderte, zeigen, dass man auch mit amputierten Gliedmaßen zu unglaublichen Leistungen fähig sein kann. Die Amputation wird hier nicht als Einschränkung empfunden, sondern erst dadurch wird der Körper „komplett“, erst dann entspricht der äußerlich sichtbare Körper dem mentalen Körperbild. So widersinnig das klingen mag, aber BID-Betroffene, die es geschafft haben, eine Operation zu bekommen, fühlen sich nicht „verstümmelt“, sondern endlich „ganz“.

Es gibt Menschen mit BID, die ihren Körper ihrem innerem Selbstbild angepasst haben. In einer umfangreichen Studie an über 20 Leuten mit angepasstem inneren Selbstbild wurde festgestellt, dass sie nach der Operation zufriedener und leistungsfähiger waren, da ihr Verlangen endlich erfüllt worden war und sie nicht länger darüber grübeln mussten. Keiner von ihnen hatte danach noch BID-Sehnsüchte nach weiteren Amputationen.

Wird aus dem Menschen, der Ihnen gesagt hat, dass er unter BID leidet, dadurch ein anderer Mensch? Oder ist es nicht doch dieselbe Person? Wenn Sie zeigen könnten, dass Sie ihn auch mit BID, vielleicht sogar auch mit einer „Behinderung“ akzeptieren, mögen oder vielleicht sogar lieben könnten, dann wäre das ein sehr großes Geschenk.


Was kann man als Angehöriger tun?

Der Mensch, wegen dem Sie sich hier informieren, schämt sich wahrscheinlich sehr dafür, so „verrückt“ zu sein, sich so etwas „Unmoralisches“ zu wünschen. Er hat sich Ihnen offenbart, da er nicht weiß, was er tun soll, innerlich zerrissen und verzweifelt ist. Wahrscheinlich hat er niemanden, mit dem er darüber reden kann, der ihm wirklich helfen kann. Enttäuschen Sie diesen Menschen nicht mit einem vorschnellen Urteil. Das „coming out“ hat diese Person entsetzlich viele Nerven gekostet, es war nicht leicht zu berichten, dass man unter so einem seltsamen Syndrom leidet. Dieser Mensch hat ihnen davon erzählt, weil er Ihnen vertraut und Hoffnung in Sie setzt, dass Sie sich bemühen, es zu verstehen.

Was braucht ein betroffener Mensch in dieser Lage? Am meisten: dass Sie versuchen, ihn zu nehmen wie er ist, ohne zu urteilen. Oft ist es besser, keine Ratschläge zu geben, sondern eher Fragen zu stellen. Sprechen Sie offen darüber, das hilft meistens. Hören Sie zu, ohne zu bewerten. Und versuchen Sie diese Sehnsucht zu verstehen, auch wenn es schwierig ist. Sie helfen nicht mit einer aber-aber-aber-Argumentation. Die ganzen Gegenargumente sind dem Betroffenen seit Jahren selbst bewusst. Das „coming-out“ dient dazu, Hilfe und Verständnis zu finden, nicht Widerstand. Jeder Versuch, die Sehnsucht auszureden und vom Gegenteil zu überzeugen, nützt erfahrungsgemäß gar nichts.

BID ist für den Betroffenen Stress. Es nagt, es zehrt Kräfte auf. Versuchen Sie, den Alltag mit Ihrem Partner ohne Stress zu gestalten, so gut es geht. Versuchen Sie, auch Ihren eigenen Stress zu vermindern. Lassen Sie Ihrer/m Partner/in oder Freund/in Freiräume. Seien Sie einfach für ihn da. Sie müssen nichts Besonderes machen. Oft bringt es für den Betroffenen erhebliche Entlastung, mit jemandem offen über BID reden zu können. Und wenn Sie über Ihren eigenen Schatten springen können, dann unterstützen Sie ihn beim „pretenden“, dem Simulieren der Behinderung. Das entlastet viele Betroffene.

Versuchen Sie bitte auch, es einmal so zu sehen: Für den Betroffenen ist das, was Sie vielleicht als „Verstümmelung“ sehen, überhaupt keine Behinderung, sondern das Gegenteil. Jetzt ist die oder der Betroffene seelisch behindert. Wäre die körperliche Behinderung wirklich so viel schlimmer, wenn dieser Mensch dafür seelisch ausgeglichen wäre, mit sich glücklicher?

Wenn Sie selber Rat suchen: Im Forum dieser Internetseiten gibt es einen Bereich für Angehörige. Auch Sie können mit Therapeuten und Wissenschaftlern Kontakt aufnehmen (siehe in den Links). In den anderen Teilen der von

 www.bid-dach.org können Sie weitere Informationen finden.

Infos für Betroffene

Was tun als BID-Betroffener?

Seit vielen Jahren leidest Du daran, dass Dein Körper nicht so ist, wie er sein müsste? Unter der Sehnsucht nach Amputation oder Lähmung oder einer anderen Behinderung und den immer wiederkehrenden Gedanken, wie man diesen Wunsch in die Realität umsetzen kann? Du hast Dich gefragt, ob der Drang Zeichen einer geistigen Erkrankung ist? Du hast Dich deswegen geschämt? Vielleicht fühlst Du Dich innerlich zerrissen, auf der einen Seite funktioniert Dein intakter Körper gut und zuverlässig; auf der anderen Seite ist da der immer wiederkehrende Wunsch nach einer Behinderung, den Du Dir nicht wirklich erklären kannst und der Dir oft genug Angst macht? Oder Du suchst nun nach einer Möglichkeit Deinen realen äußeren Körper ernsthaft an Dein inneres, mentales Körperbild anzupassen?

Das Wichtigste ist, dass Du Dich annimmst, mit dieser Sehnsucht.

Erfahrungen vieler Betroffener haben gezeigt, dass es schwierig ist, gegen den Druck anzukämpfen. Du würdest nur gegen Dich selber kämpfen und das zermürbt Dich. Du und Deine Sehnsucht sind nicht böse, falsch, krank oder verrückt, auch nicht verboten oder dumm. Du hast Dir diese Sehnsucht nicht ausgesucht. Niemand weiß bislang, woher dieser sonderbare Wunsch kommt. Fakt ist, dass er irgendwann in der Kindheit oder Jugend entstanden ist und Dich seitdem nie wieder völlig verlassen hat. Mache Dir keine Vorwürfe. Du kannst nichts dafür. Nach allem, was die Forscher bislang herausgefunden haben, ist BID kein Zeichen von „Wahnsinn“. Aller Wahrscheinlichkeit nach beruht die Diskrepanz zwischen äußerem Körper und mentalem Körperbild auf einer neurologischen Fehlschaltung im Gehirn.

Viele Betroffene berichten, je mehr sie gegen diese Sehnsucht ankämpfen, umso mehr beschäftigen sie sich damit und umso stärker wird der Drang. Vielen hat es geholfen, wenn sie die Sehnsucht als Teil ihrer Persönlichkeit annehmen. Wenn man sich die Fantasien und Gedanken erlaubt, statt mit Schuldgefühlen darauf zu reagieren, dann können sie ein wenig von ihrer Kraft verlieren und Du schädigst Dich nicht mehr selber durch innere Vorwürfe. Und Du kannst, wenn Du sie entspannt ansiehst, die Sehnsucht vielleicht besser verstehen.

Vielleicht fragst Du Dich: Wie kann ich mir nur eine Behinderung wünschen, wo andere Menschen so darunter leiden? Man kann es beispielsweise so sehen: Mit diesem Problem ist man gewissermaßen seelisch behindert. Nach einer Amputation, mit einer Lähmung oder ähnlichem wäre man körperlich behindert. Wer kann entscheiden, was besser ist? Und soll man einem kranken oder behinderten Menschen Vorwürfe machen, wird man ihn verurteilen? Nein. Man bemüht sich um Mitgefühl. Du darfst dieses Mitgefühl auch mit Dir selbst haben.

Vielleicht suchst Du nach einer „richtigen“ Lösung? Zur Zeit müssen wir da sehr viel Geduld haben, weil niemand „die“ Lösung hat. Jeder Mensch muss seine eigene Lösung für sich selber finden und seinen eigenen Weg. Es ist Dein Leben. Das Suchen und Fragen gehört dazu. Gib Dir Zeit. Viele von uns haben gelernt, mit dieser Sehnsucht zu leben.


Chirurgische Lösung: Kann ich mich operieren lassen?

Derzeit gibt es in den deutschsprachigen Ländern und vermutlich auch in ganz Mittel- und Westeuropa keine offizielle Möglichkeit, sich aufgrund der Diagnose „BID“ operieren zu lassen. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern, da BID nun in der Internationalen Klassifikation als Krankheit anerkannt worden ist. Damit geraten die Krankenversicherungen auch in Zugzwang, denn für eine Krankheit muss es langfristig auch eine Behandlung geben.

Die optimale Behandlung von Erkrankungen wird heute in Leitlinien beschrieben, die in Deutschland wesentlich von der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF, siehe: https://www.awmf.org/leitlinien.html) herausgegeben werden. Zur Erstellung einer solchen Leitlinie braucht man saubere wissenschaftlich fundierte Studien, die zweifelsfrei nachweisen, dass eine Therapiemethode hilfreich und effektiv ist. Bisher gibt es leider nur eine einzige Studie, in der Wissenschaftler Leute befragt haben, die eine Amputation durchgeführt haben:
www.sciencepublishinggroup.com/journal/paperinfo.aspx?journalid=201&doi=10.11648/j.pbs.20140306.17

Wir benötigen im Moment also weitere Studien. Zum einen müssen erneut Betroffene über ihre Zufriedenheit mit der Amputation (bzw. auch einer durch Bewegungsmangel erzwungenen Atrophie und Lähmung) befragt werden; zum anderen müssen Betroffene vor/nach einer Amputation eingehend untersucht und mit einer Gruppe verglichen werden, die andere Heilmittel gesucht haben (z.B. Psychotherapie, Medikamente, Körpertherapien) und einer Wartegruppe, die im Verlauf der Studie nichts gemacht haben. Langfristig wird man eine gewünschte Operation in Deutschland dann erst auf der Basis solcher Effektivitäts-Studien erlangen können.

Zusätzlich muss man in den Leitlinien, wahrscheinlich analog zum Transidenten-Gesetz, Richtlinien erarbeiten, was die Voraussetzungen sind. Transidente, Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung wünschen, müssen ja nachweisen, dass sie längere Zeit in der Bekleidung und sozialen Rolle des erwünschten Geschlechts gelebt haben, sie müssen im Verlauf der Anpassung ihres Körpers an das mental gefühlte Geschlecht eine psychotherapeutische Begleitung nachweisen und sie müssen entsprechende fachärztliche und psychologische Gutachten vorlegen. Ähnliches wird man dann auch von Menschen erwarten, die eine legale Amputation von Körperteilen bzw. eine andere Behinderung oder einen Rollstuhl benötigen, um Einklang zwischen gefühltem und äußerem Körper zu erlangen.

Trotz Änderung im ICD-11 gibt es also im Moment noch kein Recht auf Amputation.

Der „Verein zur Förderung von Studien über Körperidentitätsstörungen“ (www.vfsk.eu) setzt sich für die Rechte der BID-Betroffenen ein, fördert wissenschaftliche Studien und versucht langfristig, Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen. Auch eine Diskussion über eine Möglichkeit einer legalen Operation soll angeregt werden. Überlege, ob Du dort Mitglied werden möchtest. Jedes Mitglied macht den Verein stärker!

Über den Verein wird auch Medienarbeit betrieben. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, durch viel Pressearbeit und TV-Sendungen das Bild in der Bevölkerung vom „Verrückten“, der sich Arme und Beine amputieren lassen will, umzuwandeln in das Bild von Menschen, die ein völlig normales Leben führen, nichts für ihren Wunsch können, aber erheblich darunter leiden. Auch Sachbearbeiter bei Krankenkassen, Ämtern, Politiker und Ärzte sehen solche Sendungen oder lesen diese Presseberichte. Dies weicht die Vorurteile langsam, aber stetig auf. Nur so kann langfristig eine legale chirurgische Lösung auch in Deutschland erreicht werden!

In anderen nicht-europäischen Ländern gibt oder gab es bereits Möglichkeiten sich dort amputieren zu lassen. Diese sind aber relativ teuer und liegen mehr in einer juristischen „Grauzone“. Wir kennen aber Menschen, die ihre Amputation unter sehr sauberen und hygienischen Bedingungen in einem ausländischen Krankenhaus erreicht haben und damit zufrieden sind. Dazu gibt es auch erste wissenschaftliche Befragungsergebnisse (s.o.). In der Regel verlangt man auch hier ein Gutachten von einem Arzt oder Psychotherapeuten, der sich auf diesem Gebiet auskennt und bestätigt, dass es sich wirklich um BID handelt und der Patient frei ist von anderen psychischen Störungen. Dieses Vorgehen ist auch notwendig, damit nicht z.B. ein Schizophrener sich im akuten Wahn ein Körperteil amputieren lässt und den Arzt später verklagt. Die formale Begutachtung und möglichst eine längerfristige Betreuung durch einen Arzt oder Psychotherapeuten wird hier als unabdingbare Voraussetzung angesehen.


Psychotherapie?

Einige Menschen mit BID haben sich ihrem Arzt oder einem Psychotherapeuten anvertraut. Die meisten haben gute Erfahrungen gemacht. Beide Berufsgruppen stehen unter Schweigepflicht. Eine Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung ist nicht zu befürchten (es sei denn man vermittelt den Eindruck einer akuten Selbstmordgefährdung). Allein schon mit jemandem darüber zu reden hilft. Therapeuten haben viele gute Ideen, wie man mit der Belastung durch BID umgehen kann und wie man Schuld- und Schamgefühle überwindet. Oft können sie helfen, innerlich klarer und sicherer zu werden. Wenn Du eine/n gute/n Therapeuten suchst, geben Dir im Forum andere Betroffene gerne Hinweise. Möglicherweise können Therapeuten, die mit Transsexuellen Erfahrung haben, sich relativ gut auf Menschen mit BID einstellen.

Forschungsergebnisse über Therapieversuche und ihren Erfolg zeigen, dass die meisten Betroffenen nach einer solchen Beratung viel besser mit BID leben können, und manche sagen, dass die Sehnsucht selbst auch viel schwächer geworden ist. Siehe:
www.sciencepublishinggroup.com/journal/paperinfo.aspx?journalid=203&doi=10.11648/j.ajap.20140305.11

Einzelne berichten, dass ihr BID-Drang sehr schwach geworden oder sogar verschwunden ist, ob zeitweise oder ganz. Manche haben sich aber auch gerade durch die Gespräche in der Therapie dann endgültig entschieden, sich operieren zu lassen. Ein guter Therapeut hilft, auch solche Entscheidungen zu fällen.


Spritzen und Pillen?

Hier und da wird vorgeschlagen, Medikamente zu versuchen, zum Beispiel Antidepressiva (meist Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer). Einige BID-Betroffene, die diese ausprobiert haben, berichten, dass sie weniger verzweifelt waren und sich weniger Vorwürfe gemacht haben. Solche Medikamente bringen zwar keine Lösung, aber sie lindern Depressionen, Grübel und Verzweiflung und können verhindern, dass man unter Umständen etwas Schlimmes tut. Sie stellen eine Notlösung dar, sollten dann aber möglichst rasch durch den Gang zu einem Psychotherapeuten abgelöst werden. Es ist auf jeden Fall besser, in einer Krisenzeit für einige Wochen Pillen zu schlucken, als in seiner Verzweiflung etwas Unüberlegtes zu tun. Eine endgültige Entscheidung für (oder gegen) eine Operation sollte niemals aus einer Krise heraus geschehen, sondern immer aus einer ruhigen, überlegten Situation heraus getroffen werden. Wenn man also, bildhaft gesprochen, wirklich am Rande der Klippe steht, ist es besser mal für einige Zeit in die Trickkiste der Medikamente zu greifen, um wieder runterzukommen.


Wie helfe ich mir selbst im Alltag damit umgehen?

Sei Dir selbst ein guter Freund und akzeptiere die Sehnsucht als Teil Deiner Persönlichkeit.

Erfahrungsgemäß, je mehr man über BID grübelt, umso schlimmer wird es. Stress, Krisen und Frustrationen verstärken oft den Drang nach einer Operation. Positive Ablenkung, schöne Erlebnisse und Zufriedenheit im Leben vermindern den Druck durch BID. Tu also alles, was Stress vermindert und Dir ein Wohlgefühl in Deinem Körper geben kann.

Einige Forscher behaupten, dass BID dadurch entsteht, dass wir in dieser modernen Leistungsgesellschaft zu „verkopft“ sind und den Draht zum Körper immer mehr verloren haben. Es gibt viele Methoden, die Dich mit Deinem Körper besser verbinden. Du kannst Entspannungstechniken wie z.B. die Progressive Muskelentspannung erlernen, Du kannst Körperarbeit machen, meditieren oder andere fernöstliche Verfahren ausprobieren. Manche BID-Betroffene haben Kurse wie Feldenkrais (Bewusstheit durch Bewegung), Yoga, Autogenes Training, Qi Gong und ähnliches besucht und fanden das sehr wohltuend. Auch Bioenergetik, Reiki, Tai Chi und viele andere Formen geben ein gutes Körpergefühl und Selbst-Bewusstsein. Eine weitere Methode ist das „Focusing“, eine Therapietechnik, die einem beibringt darauf zu lauschen, was der eigene Körper einem mit einem bestimmten Symptom sagen will. Sie alle verbessern das Körpergefühl und verbinden Geist und Körper wieder optimaler miteinander!

Therapeuten und andere Experten bieten viele Kurse, Übungsgruppen und Einzelbehandlungen an. Fast jede Volkshochschule hat etwas davon im Angebot.

Manche Betroffene kommen gut klar, wenn sie jeden Gedanken nach BID einfach beiseite schieben und sich auf andere Dinge konzentrieren. Aber das schafft nicht jeder. Andere berichten, dass ihnen „Pretending“ Erleichterung verschafft – zum Beispiel das Simulieren der gefühlten körperlichen Einschränkung mit Krücken, hochgebundenem Bein oder Benutzung eines Rollstuhls. Der Leidensdruck lässt dadurch bei vielen nach und man verspürt für Tage oder sogar mehrere Wochen eine Erleichterung, da man seinem eigentlichen Körperbild näher kommt. Pretending kann auch helfen auszuprobieren, ob man mit der gewünschten Behinderung auch tatsächlich im Alltag klarkommen würde?

Wichtig ist außerdem: Rede darüber mit anderen Betroffenen. Informiere Dich. Du bist nicht der einzige, der unter diesem unwiderstehlichen Drang nach einer Amputation oder Lähmung leidet. Frage andere, wie sie es geschafft haben, damit klarzukommen.

Und versuche möglichst oft, viele schöne Dinge zu erleben, die nichts mit BID zu tun haben. Was tut Dir gut? Richte Deine Aufmerksamkeit auf reale schöne Dinge. Aber verbiete Dir nichts! Verbote machen die Sache nur stärker.

Das Wichtigste ist: Finde selber heraus, was Dir gut tut. Wann wird die Sehnsucht richtig stark? Wann ist sie eher schwächer? Hier hilft manchmal ein Tagebuch, in dem man protokolliert, was einem gutgetan hat und was den Leidensdruck verstärkt hat.

Überlege, auf welchen anderen Gebieten kannst Du jetzt schon, ohne eine Operation, Dein Leben ein kleines bisschen verbessern? In der Partnerschaft, im Beruf, in allen Lebensumständen, im eigenen Denken, in Gewohnheiten – überall kann man es sich schöner und lebendiger machen. Gehe kleine oder größere andere Dinge an. Das ist auf alle Fälle sinnvoll und tut Dir gut.


Soll man es den Angehörigen sagen?

Mit wem kann man über sein BID sprechen? Wer wird es verstehen? Das kannst nur Du selbst wissen.

Man muss damit rechnen, dass die meisten Menschen zunächst mit Unverständnis reagieren, wenn man ihnen diese Sehnsucht zu erklären versucht. Das verwundert nicht, denn man kann es selbst ja auch nicht wirklich erklären, woher dieser mysteriöse Wunsch kommt. Wie soll man etwas, was man selbst nicht versteht, jemandem erklären?

Das „coming out“ sollte vorbereitet werden; man kann etwa anhand von TV-Sendungen oder Zeitungsartikeln die Meinung von Menschen, die einem wichtig sind, vorsichtig erfragen und schauen, ob sie ablehnend oder mit Verständnis darauf reagieren. Wenn man auf völliges Unverständnis trifft, hat es meist keinen Sinn zu sagen, dass man selbst betroffen ist. Hier muss man zunächst diese generelle Ablehnung unterhöhlen.

Wichtigstes Argument ist, dass jeder Mensch selbst entscheiden kann, was er mit seinem Körper macht. Die einen rauchen oder trinken und schädigen damit ihren Körper, andere sind übermäßig dick oder viel zu mager. Das kann unter Umständen schädlicher sein als etwa eine Amputation, ist aber nicht verboten. Viele Menschen modifizieren ihren Körper mit Tattoos, Piercings oder sogar implantierten kleinen Hörnchen. Andere lassen Schönheits-Operationen an sich selbst durchführen. Transidente leiden darunter, in einem Körper mit dem falschen Geschlecht zu leben und streben eine operative Lösung an. Ist es wirklich soviel anders, wenn man seinen Körper in Richtung BID verändern möchte?

Vielleicht entwickelt der Partner Verständnis, wenn man mit solchen Vergleichen argumentiert? Warum sind all diese anderen Formen der Körperveränderung in Deutschland legal und nicht strafbar, aber wenn ein Mensch das Gefühl hat, dass sein linkes Bein kein Teil des Körpers ist, ist das dann wirklich „verrückt“ und unverständlich?

Viele Betroffene haben gute Erfahrungen gemacht, nachdem sie es gesagt haben. Partnerschaften wurden offener und tiefer; man versteht sich besser. Vor allem muss man das Pretending dann nicht mehr heimlich machen und die Gespräche können so entlasten, dass der Drang nach einer Operation auch geringer werden kann.

Es gibt aber auch schlechte Erfahrungen, manchmal hängt BID dann wie ein Schatten über Beziehungen oder die Beziehung wurde beendet. Auch über diese Frage kann man sich gut mit einem Therapeuten unterhalten. Natürlich muss man sich in die Lebenssituation des Partners hineinversetzen. Dieser hat sich in einen Menschen mit intaktem Körper verliebt, der oder die die Wohnung tapezieren kann, im Garten Bäume pflanzen und mit den Kindern um die Wette rennt. Künftig mit einem „Behinderten“ zusammen zu leben, ist nicht für jeden vorstellbar. Aber auch durch Unfälle und Krankheiten kann es passieren, dass der Lebenspartner plötzlich zum Behinderten wird. Würde man ihn dann verlassen? Und ist nicht BID auch eine Krankheit?

Letztlich muss man darauf beharren, dass man (1) zwar die BID-Sehnsucht hat, aber ja noch gar nicht behindert ist und es nicht feststeht, ob und wann man sich wirklich einer Operation unterzieht (vielleicht erst in 20 Jahren, wenn die Kinder erwachsen sind). (2) Auch im Fall einer Operation kann man eine Menge lebenspraktischer Dinge tun und (3) dass man trotzdem derselbe Mensch bleibt, in den der Partner sich verliebt hat.

Es entlastet jedenfalls sehr, wenn man darüber sprechen kann, kein Doppelleben mehr führen muss und seinen Kummer teilen kann. Das gilt auch für andere Gefühle.


Mach mit bei der Forschung!

Die Anzahl der Wissenschaftler, die sich mit dem obskuren Thema „BID“ beschäftigen ist winzig klein. Aber wir brauchen ihre Unterstützung. Es wird überhaupt erst dann eine Aufnahme in die Klassifikationssysteme und damit eine vernünftige Behandlung geben können, wenn es belastbare wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse gibt. Deshalb sollten möglichst viele Betroffene an den wenigen Forschungsvorhaben teilnehmen. Und die eine oder andere Erkenntnis für Dich selber gewinnst Du auch. Aufrufe zur Teilnahme an Forschungsprojekten erscheinen unregelmäßig in diesem Internet-Forum. Die Namen der Teilnehmer unterliegen der Schweigepflicht.


Tausche Dich aus im Forum und Verein

Wenn Du andere Betroffene kennenlernen und über Deine Sehnsüchte offen sprechen möchtest, dann sieh mal in das Forum (forum.bid-dach.org). Das geht auch ganz anonym. Du kannst auf diesem Weg auch Menschen kennenlernen, mit denen Du später telefonieren oder die Du treffen kannst. Von Zeit zu Zeit finden Treffen statt, natürlich im vertraulichen Rahmen. Wenn Du Dich dafür interessierst, dann schicke uns bitte eine E-Mail. Beim BID-DACH kannst Du auch mitmachen.

Ganz wichtig ist die Mitgliedschaft in dem „Verein zur Förderung von Studien über Körperidentitätsstörungen“ (www.vfsk.eu), der sich dafür einsetzt, dass es juristische und politische Lösung geben wird. Ohne Vertretung auf einer politischen Ebene lassen sich die Rechte von BID-Betroffenen nicht durchsetzen.

BID-Betroffene treffen sich rund dreimal im Jahr an verschiedenen Orten im Norden wie in der Mitte und im Süden der Bundesrepublik, so dass jeder teilnehmen kann. Es sind immer kleine Gruppen, in denen Du herzlich aufgenommen wirst. Habe keine Hemmungen, nach solchen Treffen zu fragen und zu kommen. Der Austausch mit anderen, wie sie mit ihren Problemen umgehen, ist existentiell wichtig.

Einige Betroffene organisieren sogar Selbsterfahrungs-Wochenenden, in denen sie sich intensiv für mehrere Tage austauschen.


HINWEIS: Hier werden nur persönliche Erfahrungen und Gedanken von Betroffenen veröffentlicht. Keine Haftung!